Eigentlich ein Widerspruch in sich, so wie dieses ganze sehenswerte Gebiet im Bundesstaat Tocantins – man nennt es “Jalapão“, und es besteht aus Sanddünen, kristallklaren Wasserläufen und Savannen mit goldfarbenem Gras. Eine der ungewöhnlichsten – und am geringsten bekannte – Landschaft Brasiliens!
Stellen Sie sich einen Ort vor, mit orangefarbenen Sanddünen und Bäumen mit jenen verwundenen Ästen, die typisch sind für den halbtrockenen Cerrado. Wo man stundenlang wandern kann, ohne jemanden zu treffen und nur die Stille stets präsent ist. Nun fügen Sie Wasserfälle in Ihr imaginäres Szenario ein, die in smaragdgrünen Wasserbecken verströmen, und viele Quellen, die kristallklare Bäche bilden. Und nun hören Sie auf zu träumen, denn diesen Ort gibt es tatsächlich. Sein Name ist “Jalapão“.
“Das ist hier ein Sertão mit viel Wasser, sehr viel Leben und ein paar Mysterien“, sagt eine Biologin, die ihre Heimatstadt Curitiba (Bundesstaat Paraná) gegen “Mateiros“ eingetauscht hat, eines der Dörfer im Umkreis der 34.000 Quadratkilometer des Jalapão-Areals, der grössten Attraktion des Bundesstaates Tocantins. Das grösste Mysterium betrifft die Sanddünen: Dieses Phänomen ist einzigartig – in keiner anderen Region des Landes kann man diese Sandformationen, die typisch für Küstengebiete oder Wüsten sind, inmitten einer Cerrado-Landschaft finden. Die Besucher der Gegend pflegen zu scherzen und fragen: “Wer hat wohl diese Sandberge dort aufgehäuft“?
Niemand – wenigstens kein Mensch. Inmitten so vielen Wassers sind die vierzig Meter hohen Dünen eine Oase im Vergleich zur halbtrockenen Landschaft des Cerrado. Sie haben sich durch eine permanente Erosion der Serra do Espirito Santo geformt (ein acht Kilometer langer Trail führt hinauf zum Gipfel). “Dieses Gebirge wird eines Tages verschwunden sein. Und wir hier unten geniessen das Privileg, diesen Vorgang miterleben zu können“, erklärt eine tocantinansische Geografin.
Die einzigartige Landschaft des “Jalapão“ wird durchquert von einer grossen Anzahl Wasserläufe, deren Quellen aus dem sandigen Boden entspringen und Flüsse mit vielen Wasserfällen hervorbringen. Der kristallklare Pool des ersten Falls mit Namen “Fervedouro“ ist ein Postkartenmotiv des “Jalapão“, er hat eine unterirdische Quelle und Wasser, welches den Boden unter ungeheurem Druck aufbricht – es bietet dem Besucher eine natürliche Hydromassage. Die grünliche Tönung der Wasseroberfläche im Pool stammt von dem kalkhaltigen Sand, der sich auf dem Grund sammelt.
Um die Attraktionen der Gegend zu erhalten, hat man einige Vorsichtsmassnahmen getroffen. Die berühmten Dünen – sie sind besonders attraktiv am späten Nachmittag – dürfen nur bis um 17:30 Uhr besucht werden, das reicht für den Sonnenuntergang. Während der Nacht darf sich niemand in diesem Gebiet aufhalten, um dort Mondschein-Serenaden oder Grillpartys zu veranstalten. “Dies hilft uns bei der Erhaltung des Naturphänomens. Viele meinen, dass dies ein Niemandsland ist, jedoch stehen die meisten Areale unseres Cerrado unter Naturschutz“, erklärt der Chef des “Parque estadual do Jalapão“. Nicht das gesamte Jalapão-Gebiet wird vom Schutzpark erfasst, aber es gibt weitere Konservierungseinheiten. Man schätzt, dass 40% dieser Region unter Naturschutz stehen.
Wenn man es an der Besucherzahl messen würde, dann müsste man sagen, dass die Region besonders wirksam geschützt ist. Man kalkuliert, dass lediglich 15.000 Touristen bisher dort gewesen sind. Und seine Besetzung durch Siedler ist unwesentlich: Die demografische Dichte beträgt weniger als eine Person pro Quadratkilometer. “Dieser Ort ist verdammt weit von allem entfernt“, meinte ein Taxifahrer in der Hauptstadt Palmas. Und nachdem man mit mehreren Leuten dort über das Ziel gesprochen hatte, war klar, dass nur wenige tocantiner Bürger dieses Gebiet zu besuchen pflegen.
Palmas befindet sich 198 Kilometer von “Ponte Alta de Tocantins“ entfernt, dem Munizip mit wenig mehr als 7.000 Einwohnern, das als Eingangstor zum “Jalapão“ gilt. Diese Entfernung würde keinen Brasilianer abschrecken, wenn er dafür eine asphaltierte Strasse unter den Rädern hätte – jedoch gibt es in dieser Richtung nichts dergleichen: Was es gibt, sind prekäre Erdpisten, die sogar Autos mit Vierrad-Antrieb das Grausen lehren. Und es gibt auch nur wenige Optionen für eine Unterkunft in den Örtchen Ponte Alta und Mateiros, ausser einem guten Campingplatz der “Korubo Expedições“ am Ufer des Rio Novo. Wer also den “Jalapão“ erleben will, muss Geduld und Disposition mitbringen.
Für den Sekretär für Industrie und Kommerz von Tocantins, ein Posten, der auch die touristischen Aktivitäten einbegreift, steht die Isolierung des “Jalapão“ kurz vor dem Ende. Er sagt, dass seine Regierung vorhat, 400 Kilometer Strasse in dieser Region zu asphaltieren. “Unser grösster Mangel sind die Strassen. Mit dem Asphalt kann dann jeder Interessent viel schneller dort hinkommen – und mit einem normalen Auto”, meint er. Er möchte die Besucherzahl verdreifachen, aber, dies sei auch gesagt, “ohne deshalb den Naturschutz zu gefährden“. Um die sensiblen Attraktionen des Gebiets zu erhalten, möchte er dem Beispiel von “Bonito“ (Bundesstaat Mato Grosso do Sul) folgen, das den Zugang zu den Naturschauspielen kontrolliert – und sich teuer bezahlen lässt. Untersuchungen der Bundesstaatlichen Universität von Tocantins (UFT) werden die maximale Kapazität jeder Sehenswürdigkeit definieren. Bei einigen davon gibt es bereits Kontrollen, wie beim Wasserfall “Fervedouro“, wo man jeweils nur sechs Personen auf einmal, im Turnus von zwanzig Minuten, die Besuchserlaubnis erteilt.
Ein Schicksal wird geboren
Der “Jalapão“, dessen Name von einer kleinen Pflanze (Jalapa-do-Brasil) herrührt, die typisch ist für dieses Gebiet – gut gegen Infektionen des Atmungssystems, so sagt man – erschien erstmals unter den touristischen Optionen im Jahr 2001, und zwar durch einen Zugewanderten. Ein Ex-Börsianer, geboren in Belém, aufgewachsen in São Paulo, präsentiert sich als einer der Entdecker dieser Region für den Tourismus. Er ist heute Besitzer der Firma “Korubo Expedições“ und unterhält ein luxuriöses Camp am Ufer des Flüsschens Rio Novo. Einige Jahre lang hat er innerhalb Brasiliens nach einem geeigneten Ort mit touristischem Potenzial gesucht, um dort zu investieren. Er kam in den “Jalapão“ 1996. “Zu jener Zeit gab es nur eine einzige Pousada in Mateiros. Habe dann einen Toyota mit Allradantrieb gekauft, um das Gebiet kennenzulernen. Ich und meine Frau verbrachten Tage um Tage mitten im Nichts. Als ich dann jene Dünen und die Wasserfälle entdeckte, verstand ich, dass ich eine Goldmine gefunden hatte“, sagt er.
Heute leiten er und seine Frau die bedeutendste Touristik-Agentur der Region. Allein im Jahr 2011 empfing das Super-Camp Korubo 670 Personen, viele von ihnen angelockt von den Naturschönheiten, aber auch von der Möglichkeit, die Tiere des Cerrado kennenzulernen: Aras, Tukane, Mähnenwölfe und, mit ein wenig Glück, auch die gefleckten Jaguare. Das Geschäft begann, als die Beiden einen Teil einer Fazenda gekauft hatten. Er sagt, dass er 450.000 Reais investiert hat und acht Jahre lang nur Verluste gemacht hat. Sein Camp besteht aus 13 Zelten, die mit Feldbetten und durch Sonnenenergie gewärmten Duschbädern ausgestattet sind, auf einem Areal von 15.000 Quadratmetern am Ufer des schönen Rio Novo. Ein Tourist, der ein Sieben-Tagepaket erwirbt, hat das Recht auf vier Übernachtungen im Camp (und weitere zwei Nächte in Palmas), mit allen Mahlzeiten und dem Transfer in einem dafür ausgestatteten LKW, der bis zu 25 Personen pro Reise transportieren kann. Das Vehikel ist oben offen, sodass die Passagiere die vorbeiziehende Landschaft bewundern können, während der langen Fahrt in den “Jalapão“.
Es ist durchaus ungewöhnlich festzustellen, dass die interessanteste Option für eine Unterkunft in dieser Region ein Campingplatz ist. Aber in diesem Fall, wie in keinem anderen Gebiet Brasiliens, ähnelt die Infrastruktur jener der luxuriösen afrikanischen Camps. Aber das muss trotzdem nicht jedem zusagen. Die Touristikfirma “Ambiental”, bekannter Spezialist im Ökotourismus des Landes, verkauft zirka 60 Jalapão-Pakete pro Jahr für dieses Gebiet – eintausend weniger als für “Bonito“. “Der brasilianische Tourist ist nicht daran gewöhnt, in einem Camp zu übernachten. Er ist noch zu sehr gebunden an seine Hotelvorstellung“, bemerkt der Partner der “Ambiental“. Optionen zum Camp Korubo sind die bescheidenen Pousadas der regionalen Dörfchen. Es ist möglich, auf eigene Kosten einen Guide anzuheuern, ein Allradfahrzeug zu mieten oder gleich die Kombination Guide&Fahrzeug, was ungefähr 550 Reais (200-220 Euro) pro Tag kostet, jedoch die Freiheit beinhaltet, sich die einzelnen Ausflüge selbst auszusuchen. Wenn Sie sich also für die unabhängige Alternative entscheiden, bietet Ihnen die Pousada Planalto in Ponte Alta do Tocantins ein Zimmer mit Kühlschrank und warme Käsebrötchen zum Morgenkaffee. Dazu bekommen sie gratis die Geschichten der Dona Lázara serviert, einer illustren Erzählerin besonderer Ereignisse der Region.
Gras, das Gold wert ist
“Meu capim, meu capim dourado / que nasceu no campo sem ser semeado…” (Mein Gras, mein goldenes Gras / das aus der Erde spriesst, ohne eingesät zu sein . . .), so singen die Kinder der Quilombo-Bevölkerung von “Mumbuca“ (Siedlung von Nachkommen schwarzer Sklaven), mit etwas mehr als 200 Einwohnern, 35 Kilometer von Mateiros entfernt. Die ersten Mitglieder dieser Kommune erreichten den Jalapão gegen Ende des 18. Jahrhunderts, sie kamen aus Bahia. Ihr Ziel war es, die Trockenheit des Nordostens hinter sich zu lassen. Hier im “Sertão der Wasser“ fanden sie ein Klima, das sie kannten, aber mit dem Vorzug, von ihren Maniok-, Mais- und Bohnenpflanzungen auch überleben zu können. Und erst sehr viel später entdeckten sie die Möglichkeiten mit dem “Goldenen Gras“.
Diese Pflanzen, eine Art Strohblumen, leuchten tatsächlich wie Gold und wachsen in den Senken des Cerrado. Es gibt auch in anderen Gebieten Brasiliens solche Spezies, aber nirgends leuchten sie so golden wie in Tocantins. Man erntet das Gras nur einmal im Jahr, zu Beginn des Frühlings, vor der Regenzeit, die etwa Mitte Oktober beginnt. In den Händen der lokalen Kunsthandwerker verwandelt sich die Pflanze in schöne Körbe, Halsketten, Ohrgehänge und andere Artefakte.
Das “Gold-Gras“ erreichte eine gewisse Berühmtheit als Rohmaterial für das Kunsthandwerk zu Beginn des Jahres 2000, derselben Epoche, in der das Gebiet des Jalapão für den Tourismus interessant wurde. Es war Dona Miúda, eine Führungsperson der Ansiedlung, die damit anfing, die Ableger der Pflanzen zu sammeln, um daraus geflochtene Objekte herzustellen. Sie starb im Jahr 2010, aber ihr Vermächtnis lebt weiter unter den “Quilombolas“, die sich heute in der “Associação Extrativista do Povoado de Mumbuca“, ihrem Verein, periodisch versammeln und organisieren. Das Kunsthandwerk mit dem goldenen Gras bringt der Bevölkerung geschätzte 15.000 Reais (6.000 Euro) in der Hochsaison ein – zwischen Mai bis September. Ein “goldener“ Korb kostet in etwa 45 Reais (18 Euro).
Die Touristen können auch die Ernte der Pflanzen vor Ort miterleben, am 21. und 22. September jeden Jahres. Dafür kann man sogar eine Unterkunft innerhalb der Kommune bekommen. Wenn Sie sich eine Bescheidene Unterkunft zutrauen, dann können sie in der “Pousada da Tonha“ unterkommen, die im hinteren Teil des Hauses der Besitzerin eingerichtet ist – hier stehen Zimmer mit Frühstück für Gäste bereit (25 Reais = 10 Euro). Die Guides kennen die Anfahrt. Ein Fotograf aus São Paulo, hat dort übernachtet, um die Fotos zu schiessen, die das Buch “Jalapâo – História e Cultura“ illustrieren sollen, voraussichtliche Erscheinung im November 2013. Es hat ihm sehr gut in dieser Kommune gefallen. “Ihre Kultur ist hoch interessant. Nachts zündeten sie Feuer an, versammelten sich in Zirkeln, die Prosa und Theaterstücke präsentierten, in denen sie die Geschichte des Goldenen Grases erzählten. Die Frauen des Völkchens singen mit engelhaften Stimmen. Es war phantastisch“!
Wo übernachten?
In Mateiros hat die Pousada “Santa Helena” (www.pousadasantahelenajalapao.com.br) einen Pool und einen Kühlschrank im Zimmer mit Duschbad (155 Reais = 62 Euro).
In Ponte Alta ist die “Pousada Planalto“ (www.jalapao-pousadaplanalto.com.br) zu empfehlen und das Haus der Dona Lázara, die Expeditionen mit Guide in den Jalapão organisiert.
Wie kommt man hin?
Nach Palmas, der Hauptstadt des Bundesstaates Tocantins, bringt Sie die TAM (4002-5700) ab einem Flugpreis von 541 Reais = 217 Euro, und die GOL (0300-1152121) ab 495 Reais = 200 Euro. Von Palmas aus sind es 198 asphaltierte Kilometer bis Ponte Alta. Per Omnibus steht die “Transcuper“ zur Verfügung (3228-0803), Fahrpreis 28 Reais = 12 Euro.
Geführt von wem?
Die Agentur “Korubo“ (011 – 4063-1502) bietet Programme mit sechs Nächten, zwei in der “Pousada dos Girassóis“, in Palmas, und vier im Camp. Mit Vollpension kostet dieses Paket (ohne Flug) 1.840 Reais = 736 Euro. Mit der “Freeway” (011- 5088-0999, www.freeway.tur.br) kostet ein ähnliches Programm ab 2.952 Reais = 1.200 Euro. Die “Pisa“ (011- 5052-4085, www.pisa.tur.br) bietet ein Paket mit zwei Nächten in Palmas, eine in Ponte Alta und zwei in Mateiros, mit Ausflügen, für 2.790 Reais = 1.116 Euro (ohne Flug).
Beste Besuchszeit
Ideal sind die Monate Mai bis September, die Trockenperiode – alle Tage unter blauem Himmel!